Freitag, 6. April 2007

I've Just Seen A Face im Schatten von Yesterday

Weil T. so gern mit mir im dunklen Auto Musik hört. Weil sie alle Beatles-Lieder auswendig aufsagen kann. Weil die Beatles die einzige Gruppe des 20. Jahrhunderts sind, die in 400 Jahren noch in den Musiklehrbüchern erwähnt wird.

1965: Als die Beatles das Album HELP! in die Läden stellen, heben Millionen pubertierende, zukünftige Flower-Power-People den Tonarm ihres Plattenspielers mit dem Zeigefinger hoch, schweben mit der Nadel Millimeter über dem Vinyl, lassen sich endlich behutsam in die dreizehnte Rille fallen. Diese dreizehnte Rille ist Yesterday, und die schneidende Bratsche in der vierten Strophe bringt alle jugendlichen Herzen zum Bluten.
Das ändert sich auch gut dreißig Jahre später nicht: Yesterday ist das einzige popkulturelle Musikstück, das die schon fast ertaubte Frau Schmidt mit uns Fünftklässlern im Musikunterricht behandelt. Heute noch: Die Zeigefinger tippen Next bis Track 13.

Kein Mensch weiß, welches Lied auf HELP! vor Yesterday kommt, und niemand kennt das Lied danach. Kaum ist Pauls träniges Summen verklungen, fetzen schon die Overdrive-Gitarren von Dizzy Miss Lizzy ihren Stampfrock: nichts bleibt von der Streichquartettmelancholie. Der Kontrast ist hart, so plump gehobelt, dass er banal wird und völlig uninteressant fürs Ohr. Da waren die Übergänge auf unserem Mixtape aus der neunten Klasse besser arrangiert. Und, na klar, außerdem ist Dizzy Miss Lizzy nicht einmal ein originales Beatles-Lied, nur ein Cover, ein schlechtes obendrein. Während doch heute Yesterday als das meistgecoverte Lied der Welt firmiert.

Aber da ist der Nachbar auf der anderen Seite. Das Lied vor Yesterday: Track 12: I've Just Seen A Face. Flott und doch besinnlich; eingängige Melodie; mit 2 Minuten 7 Sekunden exakt so lang wie Yesterday. Ein großartiges Lied, das dennoch kein Schwein kennt. Es hat den Kampf wohl verloren. Blieb chancenlos im Schatten von Yesterday. Und doch ist da eine Spannung zwischen dem berühmten Klunker und der kleinen Perle: eine Beziehung, eine Intermusikalität. Diese beiden Lieder kennen sich gut. Sie sind sich so ähnlich, dass sie im jeweils anderen einen Freund erkennen, und sind dabei so wenig verschieden, dass sie Feinde sein müssen. I've Just Seen A Face ist in dieser Konkurrenz unterlegen. Paul summt nicht halb so inbrünstig.

Doch Freund! schau hinter die Fassaden! Niemals wäre Yesterday die Leiter des Popkitsch bis ganz nach oben geklettert, hätte nicht das kleinfeine I've Just Seen A Face den Weg für den großen Bruder geebnet. Amicus, kämpf doch auch für die unscheinbaren Kunstwerke! Vergiss mal den Hauptstrom! Sei un=abhängig! Unterwirf dich niemals dem Urteil anderer! Wenn dich das nächste Mal einer fragt, was dein liebstes Lied auf HELP! ist, dann antworte stolz: Track 12 -- I've Just Seen A Face.
K. - 6. Apr, 21:42

anmerkung darf erlaubt sein

Niemals wäre Yesterday die Leiter des Popkitsch bis ganz nach oben geklettert, hätte nicht das kleinfeine I've Just Seen A Face den Weg für den großen Bruder geebnet.

schreibt er und vergisst, dass er im vorherigen absatz kühn behauptet, lied 12 und 14 seien den (allen!) menschen unbekannt. ein unbekanntes lied kann keinerlei weg ebnen, erst recht nicht, wenn alle die nadel in der 13.rille einstechen, was ich bei meiner mando-lp im übrigen auch tue, nur früher.

nachdem ich jetzt angeberisch verkündet habe, über platte und gleichnamigen spieler zu verfügen und somit schön im retro-hauptstrom mitschwimme, möchte ich weiterhin anmerken:

lieber georg. 3 jahre latein, latinum, vermutlich nicht zu schlecht. da schreibt man nicht: "amicus, kämpf doch auch für die unscheinbaren kunstwerke!" man schreibt amice.

ohne zusammenhang noch dies:

gestern zeigte der verehrte (im wahrsten wortessinn) kuttner einen ausschnitt, in dem h. böll völlig humorlos erklärte, was er unter humor versteht. nach mehreren minuten musste er darüber herzlich grinsen.

Anselmus - 8. Apr, 01:35

Herr Stern (Astrum) hat Recht. Was das Lateinische angeht. Du Lektor, du!
Oder heißt es am Ende gar Amic_O? Vocativ? Ach.

Das mit dem Weg ebnen... da bin ich doch anderer Meinung. Auch ein gänzlich untergegangenes Lied kann anderen Stücken auf die Bretter helfen. Vielleicht hat erst die Arbeit an I've Just Seen A Face dem herrlichen Paul die Inspiration für Yesterday-Melodien geschenkt. Wer weiß!

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