Der alte Traum von Arkadien
Die grauen Betonplatten der Armenviertel dämmern mir selbst durch die dunkle Winternacht entgegen.
HEUTE:
Der Pennermensch (ob Mann oder Frau ist nicht mehr zu erkennen) in der Schlange vor mir kauft zehn Flaschen Bier, und ich weiß ja, dass er sie alle nacheinander trinken wird. Die Zehnjährige, die ihren Tag ohne Kloreiniger nicht mehr aushält, kotzt mir auf dem Nachhauseweg vor die Füße. - Da, bittesehr!
Eine Möwe ist tot aus dem Himmel auf unseren Balkon gefallen, beim Aufschlag hat sich ihr Kopf verdreht und ist zur Hälfte abgerissen, ich kann die Luftröhre zwischen den blutverkrusteten Federn erkennen. Wenn ich noch näher rangehe, sehe ich die ersten Käfer, die am lauwarmen Fleisch nagen. Ich will sie aufheben und streicheln, die Käferlein.
Ich sehne mich unbändig nach Sonnenschein, meinmeinmein Sonnenschein, komm ich lad' dich ein, mein Sonnenschein.
ARKADIEN:
Auf einer grünen Bergwiese liegen, von der Sonne beschienen werden, den Peter beim Schafehüten beobachten, ins Tal runterschauen, der Lisl beim Heugabeln zusehen, den Amseln Brotstückchen hinwerfen, dem Dorfpastor zuwinken: - Grüß Gott!
Der ruft mir zu: - Do staunst, was? Hier isch die Welt noch heil, ein Paradiesch auf Erden. Heile Welt. Und diese Landschaft!
Alles Heil.
- HEIL HITLER! schreit Lucius Bruckhardt:
- Tahiti,
[also Tahiti = das Paradies, nicht wahr? das ist doch einzusehen, dass Tahiti hier für das arkadische Paradies steht!]
- Tahiti ist ein verlassener Truppenübungsplatz. Nur wo der Mensch die Natur gestört hat, wird die Landschaft wirklich schön. Nur wo der Wald gefällt wurde, gedeihen Blumen. Nur wo die Panzer ihre Furchen gezogen haben, entsteht ein Biotop. Das Paradies war nicht deshalb friedlich, weil der Löwe mit dem Schaf zusammen graste - was ohnehin unwahrscheinlich ist -, sondern weil es in Wirklichkeit ein Schlachtfeld war.
Und weiter:
- Die Natur ist heute nicht mehr auf dem Lande, die Bauern haben sie längst kaputtgemacht. Die Natur ist in der Stadt, allenfalls am Stadtrand, in Kiesgruben, auf Baustellen, in verlassenen Fabrikarealen, alten Steinbrüchen, Abraumhalden, zwischen Rangiergleisen, längs der Mauer, und eben aufgehoben bei der Wehrmacht.
Die Natürschützer dürfen heute nicht mehr die Gebiete absperren und warten, bis sich die richtige Flora entwickelt hat; vielmehr müssen sie darauf achten, daß die alten Schädigungen weitergehen. Daß hin und wieder nochmals Torf gestochen wird, Steine abgebaut werden, Kies ausgehoben wird und durch die Dönche hin und wieder ein Pänzerchen fährt. Sonst ist dort auf einmal keine Landschaft mehr.
[nachzulesen in: L.B.: Warum ist Landschaft schön? Falls das ein Nimmersatt wissen will.]
Das Zitat ist selbstverständlich aus dem Kontext gerissen --- genauso wie mein Atem in dieser düstergrauen Greifswaldheit.
HEUTE:
Der Pennermensch (ob Mann oder Frau ist nicht mehr zu erkennen) in der Schlange vor mir kauft zehn Flaschen Bier, und ich weiß ja, dass er sie alle nacheinander trinken wird. Die Zehnjährige, die ihren Tag ohne Kloreiniger nicht mehr aushält, kotzt mir auf dem Nachhauseweg vor die Füße. - Da, bittesehr!
Eine Möwe ist tot aus dem Himmel auf unseren Balkon gefallen, beim Aufschlag hat sich ihr Kopf verdreht und ist zur Hälfte abgerissen, ich kann die Luftröhre zwischen den blutverkrusteten Federn erkennen. Wenn ich noch näher rangehe, sehe ich die ersten Käfer, die am lauwarmen Fleisch nagen. Ich will sie aufheben und streicheln, die Käferlein.
Ich sehne mich unbändig nach Sonnenschein, meinmeinmein Sonnenschein, komm ich lad' dich ein, mein Sonnenschein.
ARKADIEN:
Auf einer grünen Bergwiese liegen, von der Sonne beschienen werden, den Peter beim Schafehüten beobachten, ins Tal runterschauen, der Lisl beim Heugabeln zusehen, den Amseln Brotstückchen hinwerfen, dem Dorfpastor zuwinken: - Grüß Gott!
Der ruft mir zu: - Do staunst, was? Hier isch die Welt noch heil, ein Paradiesch auf Erden. Heile Welt. Und diese Landschaft!
Alles Heil.
- HEIL HITLER! schreit Lucius Bruckhardt:
- Tahiti,
[also Tahiti = das Paradies, nicht wahr? das ist doch einzusehen, dass Tahiti hier für das arkadische Paradies steht!]
- Tahiti ist ein verlassener Truppenübungsplatz. Nur wo der Mensch die Natur gestört hat, wird die Landschaft wirklich schön. Nur wo der Wald gefällt wurde, gedeihen Blumen. Nur wo die Panzer ihre Furchen gezogen haben, entsteht ein Biotop. Das Paradies war nicht deshalb friedlich, weil der Löwe mit dem Schaf zusammen graste - was ohnehin unwahrscheinlich ist -, sondern weil es in Wirklichkeit ein Schlachtfeld war.
Und weiter:
- Die Natur ist heute nicht mehr auf dem Lande, die Bauern haben sie längst kaputtgemacht. Die Natur ist in der Stadt, allenfalls am Stadtrand, in Kiesgruben, auf Baustellen, in verlassenen Fabrikarealen, alten Steinbrüchen, Abraumhalden, zwischen Rangiergleisen, längs der Mauer, und eben aufgehoben bei der Wehrmacht.
Die Natürschützer dürfen heute nicht mehr die Gebiete absperren und warten, bis sich die richtige Flora entwickelt hat; vielmehr müssen sie darauf achten, daß die alten Schädigungen weitergehen. Daß hin und wieder nochmals Torf gestochen wird, Steine abgebaut werden, Kies ausgehoben wird und durch die Dönche hin und wieder ein Pänzerchen fährt. Sonst ist dort auf einmal keine Landschaft mehr.
[nachzulesen in: L.B.: Warum ist Landschaft schön? Falls das ein Nimmersatt wissen will.]
Das Zitat ist selbstverständlich aus dem Kontext gerissen --- genauso wie mein Atem in dieser düstergrauen Greifswaldheit.
Anselmus - 28. Nov, 00:18