Sonntag, 16. Juli 2006

Platt verfickt und doch nach Hause

Und wieder mal so eine Geschichte:

Ich denke:
Sie Sonne lacht mich an heute, grinsebackenbreit. Die Luft ist warm.
Ich rufe zu Sabine:
Hey, Mädchen, lass uns zum Strandbad Eldena fahrn!
Sie schlingt die Arme um meinen Hals. Sie ruft begeistert:
Au fein, ja, lass uns nach Eldena fahrn. Du hast immer so gute Ideen, mein Liebster!
Und schwuppdiwupps sitzen wir auf unseren Fahrrädern und düsen zum Strandbad.

Strandbad
StrandbadStrandbad
StrandbadStrandbadStrandbad ist schön.

Die Überraschung kommt, als wir uns nach Stunden in der Sonne auf den Rückweg machen wollen. Mein Hinterrad hält keine Luft. Ploatt wie ainä Flundä, sagen wir hier oben. Na, ich fackel nicht lange und bocke das Fahrrad auf. Sofort steht fest: Das Ventil ist kaputt, zerfetzt, zerbombt. Ich beginne sofort eine Notreparatur, meine geschickten stählernen Finger bearbeiten das Ventil mit höchster Kunstfertigkeit. Ich habe natürlich kein Werkzeug dabei, aber mein Daumen ersetzt jede Kombizange. Einzig das Material will nicht; der Reifen lässt sich nicht flicken, der Schaden ist zu groß. Immerhin bastele ich mit Hilfe von Sabines Haargummi und ein wenig eigener Spucke den Reifen so zurecht, dass das Fahrrad ohne weitere Schäden geschoben werden kann.

Wir, d. h. Sabine und ich, lachen dem Schicksal in seine sonnenverbrannte pellhäutige Visage und schieben zur Bushaltestelle. Dort grinst uns ein freundlicher Busfahrer herzlich entgegen:
Fahrräder dürfen laut Beförderungsbedingungen aufgrund fehlender Halterungsvorrichtungen im Bus im innerstädtischen Verkehr nicht befördert werden. Hahaho!
Na, das macht nichts. Ich freue mich aus ganzem Herzen, dass ich in Greifswald wohne, und nicht in Jakarta, Mexiko oder Tokio. Greifswald ist im Gegensatz zu letztgenannten Städten so handlich, dass man im Notfall alle Distanzen auch erlaufen kann. Das kostet zwar Zeit und kann einen Mann durchaus bis an den Rand seiner Kräfte treiben, aber mir bleibt keine Wahl. Ich stelle mich der Herausforderung, wie ich es immer getan habe. So bin ich erzogen worden.

Ich schicke Sabine mit ihrem noch funktionierenden Fahrrad nach Hause. Sie kann mir bei meinem Abenteur nicht weiterhelfen, allein muss ich das durchziehen. Ich schiebe meinen treuen Drahtfreund nach Haus.

Durchs Ostseeviertel. Durch Schönwalde. Die Plattenbauten gleichen einander bis aus den kleinsten Riss im Beton. Wo ist der Weg? Besäße ich nicht den hervorrgenden Orientierungssinn, den mir mein Vater mit in die Wiege spuckte, dann wäre ich verloren in diesem grauen kubischen Wald. Ich weiß: Südwest ist meine Richtung, immer Südwest, egal was, immer Südwest, sonst muss ich auf dem kalten Bürgersteig übernachten. Ich laufe. Laufe. Lauf. Lau. Lala. Südwest.

Ich weiß nicht mehr genau, wo ich bin. Die Richtung muss stimmen. Die Zahl der zurückgelegten Kilometer steigt mit der Zahl der Blasen an meinen Füßen oder andersrum verflucht. Ich nähere mich einer Kreuzung, einer weiteren, Kreuzung zweier Waldwege im Asphalt-Wald. Da das Straßenschild:

ERNST-THÄLMANN-RING / MAKARENKOSTRAßE

Na, hier war ich schon oft; das kenne ich doch! Genau so muss sich Kolumbus gefühlt haben, als er nach langer Fahrt endlich ankam und Indien erkannte. Ich hatte mich der Kreuzug aus einer anderen Richtung genähert, als ich es sonst gewöhnlich tue. Nur so ist zu erklären, dass ich die Kreuzung nicht auf den ersten Blick erkannte, sie nicht am Muster der Löwnzähne zwischen den Betonplatten von allen anderen Kreuzungen Schönwaldes unterscheiden konnte! Verficktes Straßenschlid macht mich erst darauf aufmerksam, wo ich bin.

Die letzten Meter sind ein Klacks. Drauf geschissen. Ich bin natürlich noch so rechtzeitig zu Hause, dass ich Nelix und Felli, die an diesem Wochende bei uns zu Besuch waren, mit einem gewinnenden Na, dann fahrt mal gut nach Hause! verabschieden kann.

Die Reise hat mich bestätigt. Ich kenne Schönwalde jetzt wie meine Westentasche, kenne alle Betonbäume im schönen Wald. Ich bin ein Waldläufer, quasi Tolkienscher Manier. Ich bin der Aragorn Greifswalds. Und bald bin ich König.

Ich rufe Sabine an, die schon verzweifelt auf meinen Anruf wartet. Ich liebe dich.

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John Vanderslice
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